Recherche-Theater-Projekt "Maikäfer flog"
Im Frühjahr 1945 ging in Europa der 2. Weltkrieg zu Ende, in Beckum am 1. April 1945. In der Nacht zu Ostersonntag verließen Verbände der Wehrmacht die Stadt und US-Truppen nahmen sie ein. Von diesen dramatischen Tagen – dem Zusammenbruch Deutschlands und dem Sieg der Alliierten – erzählt unser Recherche-Theater-Projekt MAIKÄFER FLOG: mit dem Blick auf eine kleine Stadt, mit den Augen von Kindern. Aus der Kindheitsperspektive wird von Angriffen der Tiefflieger und Nächten im Luftschutzkeller, vom Rückzug der deutschen Soldaten und der Siegesparade der US-Amerikaner, von Zwangsevakuierten und Zwangsarbeitern berichtet, die auf einmal zu den Siegern eines Krieges gehörten, der von NS-Deutschland begonnen wurde und 60 Millionen Menschen das Leben kostete.
Für MAIKÄFER FLOG haben wir Gespräche geführt und Spuren gesichert. Im November 2019 haben wir unsere Ergebnisse im Dormitorium gezeigt. Während der Werkstattaufführungen im Dormitorium erzählten Zeitzeugen und Zeitzeuginnen gemeinsam von der Kindheit und dem Kriegsende in Beckum. Sie erzählten aus ihrem eigenen Leben, die Nachgeborenen die Geschichten, die sie selbst recherchiert hatten. Es wurde sowohl von der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung erzählt, wie auch vom Schicksal der Zwangsarbeiter.
MAIKÄFER FLOG ist eine Kooperation von der Kulturinitiative Filou, dem Beckumer Heimat- und Geschichtsverein Beckum und dem Recherchetheater Vajswerk.
Ein Junge singt 'Maikäfer flieg!'
Ernst S: Bei Kriegsschluss verfügten wir über ein umfangreiches
Waffenarsenal. Die desertierenden Landser hatten alles zurückgelassen. Von
der ausgezogenen Uniform bis zur letzten Patrone.
Alfons U: Wir Kinder waren bewaffnet wie die Soldaten.
Ernst S: Wir verfügten über eine MP mit sechs Reserve-Magazinen, alles voll
geladen, eine O8-PK38/9Z, eine 7,65er und eine Offizierspistole Kalib. 6,35 mit
entsprechender Munition. Zum Waffenübungsschießen gingen wir zum
Kollenbusch, ließen einen Maikäfer an einem Buchenstamm hochkrabbeln und
versuchten, ihn aus drei Meter Entfernung zu treffen. Schießen hatten wir ja
bei der HJ gelernt. Durch die Schüsse aufgeschreckt, tauchten dann einige im
Walde lebende frühere Fremdarbeiter (Russen und Polen) auf, so dass wir
schleunigst Fersengeld gaben.
Heinz W: „Wer leben will / der kämpfe also / Und wer nicht streiten will / in
dieser Welt des ewigen Ringens / verdient das Leben nicht.“
Abituraufsätze 1941 1: Wer aus Verzagtheit und Feigheit zurückweicht,
verdient, dass der fällt. (…) die skeptisch in die Zukunft sehen, haben uns
schon den 1.Weltkrieg vermasselt, deshalb macht man heute mit diesen
Leuten kurzen Prozess.
Abituraufsätze 1941 2: Unsere Feinde können nicht begreifen, dass ein Land,
in dem nach ihrer Meinung die Einzelpersönlichkeit geknechtet wird, [„Die
Bedeutung der Einzelpersönlichkeit im Krieg“] so gewaltige Erfolge haben
kann. In Deutschland kennt jeder die Bedeutung des Spruches: „Du bist nichts,
dein Volk ist alles.“
Willy S: [13.9.44] Liebe Anni! (…) Gestern erhielt ich auch wieder mal Post
von Mutter, Bernhard und Sofia. Zu Hause [in Beckum] ist ja soweit alles noch
beim Alten und alles in Ordnung. Hauptsache ist ja dass die Flieger Euch fein in
Ruhe lassen. Der Krieg geht seiner Entscheidung nun näher und bald wird
schon was passieren und der Sieg wird bestimmt unser sein davon bin ich
felsenfest überzeugt. Der Kampf tobt an allen Fronten nun hart. Hier in Italien
will er auch nun an der Adria durchbrechen um in die Po-Ebene zu kommen.
Alle verfügbaren Kräfte müssen vor. So bin ich nun auch wieder an der Reihe.
Morgen fahre ich vor, ich soll als M.G.Schütze oder als Panzer-Nahkämpfer
kämpfen. Ich werde zuschlagen. Wollen hoffen dass mir das Glück auch
weiterhin hold sein möge, wenn mir sollte doch was passieren ja dann hat man
eben Pech gehabt und da ist nichts gegen zu machen. Mutter teilte mir auch
wieder einige mit die gefallen sind oder schwer verwundet. Ja nun merkt man
das nicht so aber wenn erst mal wieder Frieden ist dann wird man nach dem
und dem fragen und wird als Antwort bekommen: Er ist gefallen im Krieg. Oder
man wird manchen als Krüppel umherlaufen sehen die man nur als frohe
Jungen ja sogar als Kinder kannte. Der Krieg ist hart und ebenso hart sind die
Opfer, die er nun mal fordert. Wollen wir hoffen dass er bald ein gutes Ende
nimmt und wir uns alle gesund in der Heimat wiedersehen. Ja ganz lange wird
es auch nicht mehr dauern es wäre schade wenn einem nun noch etwas
passierte. Aber Krieg ist Krieg. In den nächsten Wochen werde ich sicher nicht
soviel zum Schreiben kommen denn bald heißt es kämpfen. Nun möchte ich
schließen, ich wünsche Dir alles Gute und mit den besten Wünschen bin ich
Dein Bruder Willy. – Viele Grüße an alle Bekannte.
Walter K: Der erste, der morgens aufstand, machte die Kerze an: ein Bruder
war Soldat, einer Flakhelfer.
Mimi S: In jedem zweiten Haus war einer gefallen.
Walter H: Von den sieben Häusern auf dem Paterweg waren in sechsen Söhne
gefallen.
Anni V: „Unser Papa ist tot!“ - Das Nachbarkind stand heulend hinterm Zaun.
– Immer, wenn ich so erzähle, habe ich alles vor Augen.
Fränzi M: Da sehe ich ihn heute noch vor mir.
Margret T: 1939 zu Kriegsbeginn wurde ich eingeschult. Anfangs war alles im
Siegestaumel. Als 1941 ein eiskalter, langer Schneewinter kam, wurde alles
rationiert. Es gab Lebensmittel auf Punkten und Kohlen auf Bezugsschein,
sowie Schuhe.
Bernhard S: Für Kleidung und Schuhe waren jetzt Bezugsscheine zu
beantragen. Für alles und jedes mussten wir bei jedem Wetter stundenlang vor
den Geschäften Schlange stehen.
Ludger K: „Mama, ich hab noch Hunger!“ - „Mott tom Föhrer goahn“!
Anni V: Es war nicht schlimm. Wir hatten einen großen Garten, Runkeln,
Kartoffeln, Obstbäume, Hühner.
Schüler: Achtung! (Der Lehrer kommt in die Klasse, betritt das Katheder.)
Lehrer: HH!
Die Klasse: HH!
Ilse H: Meine Klassenlehrerin hatte eine Strickjacke, die sah aus wie ein
Braunhemd, aber eben nur gestrickt.
Heinz W: „In der Bibel steht, dass wir unsere Feinde lieben sollen. Kann man
so'n Juden lieben?“ – „Nein, Herr Lehrer!“ [Rektor Kelle]
Heinz N: Sport hatten wir bei Stöck. Von der Schule zum Stadion [von der
Hans-Schemm-Schule zur Hermann-Göring-Kampfbahn] sind wir durch die
Stadt im Gleichschritt marschiert und haben gesungen.
Marschlied (des HJ-Fanfarenzuges Beckum): Vorwärts, vorwärts – schmettern
die hellen Fanfaren / Vorwärts, vorwärts – Jugend kennt keine Gefahren. / Ist
das Ziel auch noch so hoch / Jugend zwingt es doch. / Unsere Fahne flattert
uns voran / In die Zukunft ziehn wir Mann für Mann. / Wir marschieren für
Hitler durch Nacht und Not / Unsere Fahne ist mehr als der Tod.
Ernst S: Wir haben uns sonntags vorm HJ-Heim getroffen. Gegenüber der
Schule. Links die Jungs, rechts die Mädchen. (Wie später beim Frisör
Hemesath: links Herren, rechts Damen.) Wenn die Messe aus war, die
Kirchengänger uns entgegenkamen, zogen wir los, mit dem Fanfarenzug. Im
Stadion dann Sport, Schießen: Luftgewehr, Kleinkaliber.
Heinz W: Es wurde auch mal eine Panzerfaust vorgeführt. Die Metallplatte
hatte tatsächlich einen Durchschuss und war gespalten. – Vom HJ-Heim sind
wir aber auch im Trupp ins Deli, Film gucken: Jud Süß, zum Beispiel.
Margret T: Auf der großen Landkarte über der Eckbank in der Küche steckte
meine Schwester immer die Frontlinien. Irgendwann war die Karte weg.
Maria P: Bei einem großen Fliegerangriff waren alle Schülerinnen im Keller. Die
Bomben schlugen so nah ein, dass Kaplan Hohmann allen die
Generalabsolution erteilte. - Danach wurden wir in kleine Gruppen eingeteilt
und zu Schülerinnen mit einem nahen Keller geschickt.
Gisela R: Jeder wusste, zu wem er gehen musste.
Karl-Heinz W: Ich war bei Kumpmann im Soestkamp. Die Scheiben haben
geklirrt, die Türen gerappelt. [Beim Bombenabwurf auf den Dahlmer.]
Bernhard B: Bei Fliegeralarm mussten wir von der Schule nach Hause laufen.
Eine Erinnerung ist, wie wir auf dem Nachhauseweg an der Vorhelmer Straße
von den amerikanischen Fliegern beschossen wurden. Es wurde auf alles
geschossen, was sich bewegte. Wir Kinder haben das gar nicht so
wahrgenommen. Wir haben uns am Marienplatz unter Bäumen versteckt.
Fränzi M: Mein Bruder hatte mich immer beschützt, wenn die Sirenen heulten,
sind wir ganz schnell unter die Küchenbank gerutscht, bis Entwarnung kam.
Abends wurde die Lampe, es gab nur eine, verdunkelt mit einem dunklen
Handtuch, damit die Flugzeuge kein Licht sahen. Nachts, wenn Alarm war,
mussten wir in den Keller, die waren kalt und voll Kohlen (auch Mäuse liefen),
wir haben dort gebetet den Rosenkranz und den Engel des Herrn, bis
Entwarnung kam. Danach mussten wir ins kalte Bett und wir hatten ja nur das
Ehebett und haben uns gegenseitig gewärmt. Wir hofften nur, dass die Nacht
ruhig war [blieb].
Heinz N: Ich habe mich immer gefreut, wenn Fliegeralarm kam. Dann konnte
ich mit allen Kindern im Luftschutzkeller spielen.
Margret T: Uns wurde ein Superluftschutzkeller zugewiesen. Beheizt,
gestrichen und beleuchtet mit breitem Kellereingang. Die Partei war sehr
kinderfreundlich (spätere Soldaten). Kein Lichtstrahl durfte nach draußen
gelangen. Fenster und Türen würden mit Vorhängen verhangen. - Wir
bekamen 3 Etagenbetten und gingen abends zum Schlafen schon dorthin.
Wenn alles abgedunkelt war, ging der Treck los. Zur Reichsbank an der AlleeStraße, Adolf-Hitler-Straße.
Margret R: Wenn wir bei den Luftangriffen nicht im Keller waren, standen wir
immer im Durchbruch zwischen den beiden Häusern, drinnen, zwischen Küche
und Spülküche.
Radio Primadonna meldet feindliche Bomberverbände im Anflug auf … Ida
Richard Sieben.
BBC: Hier ist England, hier ist England. – Der funkte genau auf den Kanal. –
Die Leute wollten doch wissen, wo die Front wirklich stand.
Karl-Heinz W: Wir hatten Einquartierungen von Ausgebombten aus Essen …
Anni V: Wir aus Aachen.
Margret R+ Maria N: Aus Aachen.
Eberhard N: Wir waren in Münster ausgebombt und kamen zu unseren
Verwandten nach Beckum.
Margret T: Beckum war ja von Luftangriffen weitgehend verschont geblieben.
[In Beckum waren keine zehn Häuser durch Fliegerbomben zerstört.]
Karl-Heinz W: … Das waren Verwandte, die einen Bekannten mitgebracht
hatten. Der war desertiert und verließ das Haus nicht.
Maria P: Wenn der Hund bellte, hieß es, Radio aus – Feindsender! – und die
Butterflaschen unter die Eckbank.
Gisela R: „Das mit dem Radio dürft ihr niemandem sagen. Sonst wird Vater
weggeschickt und kommt nie wieder.“
Mimi S: Es wurde überhaupt wenig gesprochen.
Ilse H: „Ich zeig Sie an!“ Meine Mutter hatte den Zwangsarbeitern ein paar
Kartoffeln zugesteckt. Im Posthof standen 10, 12 Polen oder Russen, hinter
Stacheldraht.
Maria N: Abends sah man die Zwangsarbeiterinnen ins Lager zurückgehen, in
die Hühlstraße. Die konnten nicht mehr. Wir haben ihnen ein Brot zugesteckt,
manchmal geschmierte Brote; Mutter schickte immer eins von uns Mädchen.
Ilse H: Da lag ein großer Reifen aus Beton vor Köttings Mühle, als
Panzersperre.
Walter H: „Wir werden Beckum bis zum letzten Mann verteidigen.“
Heinz W: Es standen so Klüpkes auf der Straße. Der eine wusste das, der
andere das.
Margret R: Soldaten saßen in der Küche: wer hatte wen wo gesehen?
Walter H: Gründonnerstag hörte man in der Kirche das Wummern der
Artillerie. Die Front kommt immer näher. – Am Tag zuvor war Schulentlassung.
– Du, wir haben doch unserem Lehrer …
Walter K: Dem Gröne!
Walter H: … zum Abschied was geschenkt.
Walter K: Ein Hitler-Bild!
Walter H: Ob der das noch mit nach Hause genommen hat?
Ernst S: Mein Bruder bekam kurz vor Ostern den Stellungsbefehl, 17 Jahre alt.
Wir taten einfach so, als ob die Post nicht angekommen wäre.
Gisela R: Mein Bruder kam gerade vom Reichsarbeitsdienst nach Hause und
versteckte sich mit zwei Freunden in der Bauernschaft – tagsüber in einem
Erdloch, nachts in der Scheune.
Eberhard N: Wir Kinder durften gar nicht mehr aus dem Haus. Die
Osternester aus dem Kindergarten wurden ins Haus nachgebracht.
Ernst S: Vom Lebenmittel-Depot bei Wagner zog die Wache ab.
Anni V: Bis unter die Decke Kisten mit Butterschmalz. Mit Bollerwagen, mit
Schubkarre, los zur Halle und ab nach Haus.
Eberhard N: Unter Geheimhaltung wurden Kisten mit Schmalz bei uns
eingelagert.
Ilse H: Berliner Ballen wurden gebacken. Zu Ostern?
Bernhard S: Bei uns kam der Butterschmalz nach Ostern erst an.
Walter H: Ich war mit dem Bollerwagen auf dem Weg zur Stromberger Straße,
Karsamstag, da kamen Tiefflieger und ich bin gleich wieder zurück ins Haus.
Walter K: Ich war mit dem Bollerwagen unterwegs, da kam ein Tiefflieger, ich
hab mich auf die Straße geworfen, im Schutz vom Bollerwagen. – In der
Regenrinne konnte ich danach die Einschusslöcher vom MG sehen.
Heinz S/X...: Da, wo heute das Filou-Atelier ist.
Walter K: Danach bin ich weiter.
Ilse H: Vielleicht war das derselbe Tiefflieger, der so dicht in die Stadt flog,
dass ich in der Weststraße unter der Küchenbank riesige Angst ausstand. Und
der vorm Kolpinghaus meiner Tante vier Finger abschoss, als sie ihr kleines
Kind zu sich zog. Meine Cousine bekam einen Schuss ins Bein.
Maria N: Auf der Straße lagen drei Tote. Das war Karsamstag? In unserer
Waschküche wollten sich Soldaten eine Stellung einrichten; aus dem
Kellerfenster auf die Wilhelmstraße schießen. Irgendwann waren sie
verschwunden.
Karl-Heinz W: Vor unserem Haus in der Hammer Straße gruben Soldaten
Stellungen aus. Da lagen sie mit ihrer Panzerfaust. Wir sollten die Straßenseite
räumen; es könne schon mal eine Panzerfaust woanders einschlagen. –
Nachbar Linnemannstöns wurde angeschossen, als er seine weiße Fahne zu
früh raushängte.
Die Glocke, Amtliches Mitteilungsblatt des Gaues Westfalen-Nord der NSDAP
für die Kreise Beckum, Warendorf und Wiedenbrück; Samstag, den 31.März 45
– da stand die Front bereits im Kreis Beckum.
Walter H: „Walter, geh ins Haus, die Amerikaner sind schon in Ahlen.“ – „Aber
Frau Hagenhoff, wie können Sie sowas sagen?! Das stimmt doch nicht!“ – Die
Nachbarin glaubte noch immer an den Endsieg.
Glocke 1: Heldenhafte Einzelkämpfer. 53 Panzer durch HJ vernichtet
Auf dem Marktplatz von Labes vernichtete der Fähnleinführer Stein einen
Sowjetpanzer mit der Panzerfaust. Er arbeitete sich bis auf fünf Meter
Entfernung an den Feindpanzer heran, bevor er seine Panzerfaust zum
Abschuss brachte. In der gleichen Stadt wurden zwei weitere Panzer durch
Hitlerjungen vernichtet. (…) Die Panzerbrecher der HJ, die ausnahmslos
Kriegsfreiwillige sind und sich –
Glocke 2: Sühne für ehrlosen Verrat Wie das amtliche englische
Nachrichtenbüro Reuter bekanntgibt, wurde der von den alliierten
Militärbehörden als Bürgermeister von Aachen eingesetzte Franz Oppenhof in
der Nacht zum Mittwoch von deutschen Freiheitskämpfern getötet. Ergänzend
wird hierzu mitgeteilt, dass ein Gericht zur Wahrung der deutschen Ehre den
treulosen Verräter sofort nach Antritt seines Amtes im Solde des verhassten
Feindes zum Tode verurteilte. Das Urteil wurde (.) durch Erschießen vollstreckt.
Margret T: „Jetzt haben sie den Kelle erschossen. So ein guter Mann.“ – „Guat
datt de Kerl doat is!“
Ilse H: Sonst wären wir jetzt alle tot.
Ernst S: Karl Kelle, der hiesige Ortsgruppenführer und Schulleiter der Hans
Schemm-Schule (Antonius-Schule) wollte mit einer Handvoll SS-Leuten
Beckum verteidigen.
Bernhard S: Bis zum letzten Mann. Junge Männer, gerade mal 15 Jahre alt,
und ältere Veteranen bildeten den Volkssturm und liefen mit Panzerfäusten
durch die Stadt.
Gisela R: Oder mit einem zusammengeschraubten Volkssturmgewehr. Oder
mit einem Spaten.
Ernst S: Der Obernazi wurde aber in seiner Wohnung von zwei Beckumer
Bürgern erschossen. Es wurde nie bekannt, wer diese mutigen Leute waren.
X… Waren es zwei? Es war Karfreitag-Abend, 30.3., gestorben – an seinen
Verletzungen erlegen – ist Kelle am 4.4.
Anni V: Anneliese Pott war Dienstmädchen bei Kelle im Anna-Haus. Es hat
geklingelt, sie macht die Tür auf. „Herr Kelle, für Sie“. Kurz darauf hörte sie die
Schüsse. – Ich kenn den Namen, aber ich komm jetzt nicht drauf.
Bernhard B: Major Rudolf Dunker, Kampfkommandant von Beckum, hatte den
Befehl, die Stadt zu verteidigen.
Gisela R: Wir zogen am Nachmittag mit dem Bollerwagen in den Dalmer
Busch. In Beckum wurde es zu gefährlich.
Margret R: Meine Mutter war für Bleiben, meine Tante war für Gehen. Wir
waren im Keller, meine Mutter lief immer hoch: Was macht Nachbar
Wiesebrock? Nach dem konnte man sich doch richten.
Heinz W: Als ich Karsamstag mit meiner Kassette zum Bunker bei Pötkers
ging, stand bei Venne [Bernhardine Windmüller musste 1937 verkaufen] ein
Panzer auf der Straße und hat auch ein paar Schüsse abgegeben.
Ferdinand H: Inzwischen war unser Haus von Dingen, die noch an die Nazis
erinnerten, befreit worden, z.B. landete Adolfs „Mein Kampf“ im Kachelofen.
Mimi S: Vaters SA-Uniform und meine BDM-Bluse lagen ganz unten im
Waschzuber.
Bernhard S: Wir saßen im Bunker bei Frölich –
Ludger B: Ich auch. Mein Kindermädchen – in Münster ausgebombt – meinte,
je mehr Leute im Bunker waren, desto weniger Angst hätte sie gehabt.
Bernhard S: Bei Frölich waren so viele Menschen im Bunker, dass die Luft
langsam knapp wurde und Sauerstoff-Flaschen zum Einsatz kamen. In der
Nacht kam Oberleutnant Schade herein: In einer Stunde könnt ihr raus, wir
ziehen ab.
Ludger K: 10, 12 Leute waren bei uns im Keller, im ausgebauten
Luftschutzkeller. Irgendwann hieß es, ihr könnt rauskommen, Beckum wird
nicht verteidigt.
Bernhard B: Erst Dr. Paul Rosenbaum, Oberfeldarzt und Chef des Ahlener
Kriegslazarettes konnte nach langen Telefonaten Major Dunker dazu bringen,
sich zu ergeben, die Stadt kampflos zu verlassen.
Margret T: Mein Vater war Feuerwehrmann und mit dem Löschen des
Wehrmeldeamtes beschäftigt. (Aber das ist eine andere Geschichte.)
Zwischendurch kam er immer zu uns in den Keller und sagte schließlich: Sie
kommen jetzt. Ich gehe nach Hause und hänge eine weiße Fahne raus.
Gisela R: Die Nacht waren wir bei Vielhabers im Paterholz. Mutter und Vater
werden gar nicht geschlafen haben. Im Morgengrauen gingen sie auf die
Kuppe: Beckum steht noch. Auf dem Dalmer Weg stand ein amerikanischer
Panzer.
Maria P: In der Nacht auf Ostersonntag hörten wir Panzer, beim ersten
Tageslicht geht ein Franzose – Vater hatte vier, fünf französische
Kriegsgefangene, die sich von der Front überrollen lassen wollten, bei uns in
der Scheue versteckt – auf die Anhöhe mit Blick auf den Lippweg und kommt
jubelnd zurück: Amerikaner!
Alfons U: Wie die Amerikaner mit ihren Panzern einmarschiert sind und bei
uns in Neubeckum Richtung Vellern gefahren sind, sind die russischen
Kriegsgefangenen, die bei uns im Steinbruch hausten, den Panzern
entgegengelaufen und sind auf diese aufgesprungen und mitgefahren.
Walter H: „Bürger Beckums. Ergebt Euch! Jeder Widerstand ist zwecklos!
Bleibt in euren Häusern! Es wird geschossen!“
Heinz W: Es wurde auch durchgesagt, man dürfe die Haustüren nicht
verschließen. Das hatten meine Eltern wohl überhört; ich habe die Nacht
durchgeschlafen und morgens nur gesehen, dass unsere Tür eingetreten war.
Meine Schwester erzählte dann, dass sie Soldaten durch das Haus geführt
hätte, von Zimmer zu Zimmer. Da habe ich nichts von mitbekommen.
Margret T: Das Gebäude der Reichsbank wurde als erstes Haus am frühen
Ostersonntagmorgen, den 1. April 1945, von den Amerikanern beschlagnahmt.
Alle schrien vor Angst, weil plötzlich ein farbiger Soldat die Treppe
hinunterkam. (Für uns Neger gleich Menschenfresser.) Er war aber zu uns sehr
nett, half uns beim Räumen (die Vorratssachen kamen zurück nach Hause) und
gab uns Schokolade.
Maria N: Ostersonntag ging ich irgendwann auf die Straße, da sah ich einen
Schwarzen und bin schreiend zurück ins Haus gelaufen. Er lachte nur.
Ernst S: Bei meinem ersten Kontakt mit einem pechschwarzen G.I. sagte ich
zu ihn: „Oh, you are a very black man!“ Das hätte ich nicht sagen dürfen. „We
are American coloured Soldiers!“
Mimi S: Ostersonntagmorgen, Mutter stocherte im Ofen, das Kaffeewasser
kochte, da kamen zwei amerikanische Soldaten in die Küche. So wie unsere
Jungs auch. Hausdurchsuchung. Mutter schnitt vom Osterkuchen zwei Stücke
ab und bot sie den Soldaten an. Ein Soldat gab zu verstehen: Die Mutter
müsse erst vorkosten.
Ludger K: Vom Wohnzimmerfenster aus, sah ich die Amerikaner im Jeep, mit
aufgepflanztem MG die Straße entlangfahren.
Fränzi M: Am schlimmsten war das Geschehen, als der Krieg schon für uns
beendet erklärt war. Die weißen Fahnen hingen schon aus den Fenstern; ich
war neugierig und bin nach draußen gelaufen aber sofort wieder rein, ich hatte
Angst, denn die Soldaten marschierten die Straße hoch. Die Tür stand noch
auf, da kam ein Russe und sagte nur „Hunger“. Mutti hatte es auch gehört, ich
lief hoch und sie gab mir ein Stück Brot. Ich reichte es dem Soldaten, er
streckte die Hand aus und nahm es mit einem Lächeln entgegen. Da kam ein
deutscher Offizier und schlug ihm mit dem Gewehrkolben durchs [ins] Genick.
Er fiel blutüberströmt in den Flur. Der Offizier zog ihn aus dem Flur durch das
Blut in den Straßengraben –
Ferdinand H: Am Ostersonntagmorgen gingen wir vom Bunker bei Hessling
wieder in die Stadt: der Rückweg, entgegen den heranrollenden
Panzerkolonnen war bedrückend.
Hans-Jürgen N: Ich bin 1943 geboren; ich erinnere mich nicht an Bilder oder
Worte, wohl aber an das Geräusch von Panzerketten.
Ilse H: Die amerikanischen Soldatenstiefel hatten so Krepp-Sohlen. Plötzlich
standen die vor Einem.
Ferdinand H: Vor unseren Treppenstufen stand ein Panzer, beim Betreten des
Hauses bemerkten wir Stimmen im Gastzimmer. Dort hatte sich eine Gruppe
amerikanischer Offiziere zu einer Art Tribunal hinter einigen Tischen aufgebaut.
Vor ihnen stand unser Nachbar und Landrat Dr. Lankenau in seiner Uniform.
Die Amerikaner ließen ihn Pistole, Achselklappen, Ehrenzeichen und auch das
Koppel mit dem Schleppsäbel abnehmen. Dann wurde ihm befohlen, seine
Amtsgeschäfte als Landrat vorläufig wieder aufzunehmen und für Ruhe und
Ordnung zu sorgen. Anschließend wurde Vater zu den amerikanischen
Offizieren gerufen, die ihn zum vorläufigen Bürgermeister von Stadt und Amt
Beckum einsetzten. - Mit vorgerückter Zeit fiel mir ein, dass ich für den Dienst
beim Hochamt eingeteilt war. Da Ausgangssperre herrschte, wollte mich Mutter
nicht gehen lassen. Aber ich lief dann doch los.
Walter H: Ich war als Messdiener unterwegs zur 7 Uhr-Messe, da hieß es, die
Messe fällt aus.
Ferdinand H: Unterwegs lagerten amerikanische Soldaten auf der Straße und
bereiteten sich auf einem Kocher eine Mahlzeit. Sie beachteten mich kaum, ich
konnte unbehelligt weitergehen.
Ludger B: An jenem Ostersonntagmorgen radelte die 21jährige Elfriede Tovar
von Beckum nach Enniger, unbehelligt zu ihrem Elternhaus, quer durch „die
feindlichen Linien“.
Ferdinand H: Der Anblick in der Kirche war ungewohnt. Einige amerikanische
Soldaten standen beieinander. Einer von ihnen trug ein weißes Tuch über der
Schulter: Er wurde gerade getauft. Sonst waren nur wenige Kirchenbesucher
versammelt; ich erinnere mich nicht an eine Predigt, dazu waren wohl alle zu
sehr mit eigenen Gebeten und sorgenvollen Gedanken beschäftigt. Nach der
Messe suchte ich schnell nach Hause zu kommen.
Mimi S: In der Hochmesse dann, 10 Uhr Stephanus. Ostermontag? Dechant
Schepers: „Der Krieg ist aus, der Krieg ist aus.“ Dann ging die Orgel los.
„Maria, breit Deinen Mantel aus!“ Die Kirche war so voll, da konnte keiner
umkippen. Das war 'ne richtige Befreiung. Als wenn alles von einem runterfällt.
Maria N: Nach der Messe standen wir Mädchen auf dem Marktplatz zusammen
und sahen unseren Direktor kommen: Wie der uns wohl begrüßen würde? – Er
zog den Hut und sagte: „Guten Morgen.“ – „Guten Morgen!“
Ilse H: Als uns zwei Lehrerinnen entgegenkamen, rief Anneliese wie immer:
Heil Hitler! – Ich hatte mit meinen acht Jahren irgendwie verstanden, dass
man das jetzt nicht mehr sagen sollte.
Maria P: Ehemalige Zwangsarbeiter feierten in unserer Küche ihre Befreiung.
Eine Ukrainerin kochte wie zu Hause. - Umherziehenden Gruppen von
Zwangsarbeitern ging unsere Parascha entgegen und erzählte, dass hier gute
Leute wohnen. [Bei anderen Höfen haben sie sich anders verhalten.]
Hildegard N: In der Waschküche stand ein Russe vor mir. Ein rundes, rotes
Gesicht, mit roten oder hellen Haaren. Er hielt ein Messer hinter dem Rücken
und sagte nur „Brot“. Mein Onkel musste das gehört haben, kam hinzu und
sagte nur: Sie kriegen Ihr Brot.
Wir waren verwandt mit dem Direktor von Westfalia, die auch Zwangsarbeiter
hatten. Er wurde von einem Russen erschossen; 13.4.45 steht auf seinem
Grabstein.
Karl-Heinz W: Ein paar Russen plünderten nach der Befreiung das
Lebensmittelgeschäft nebenan. Frau Heese war Englischlehrerin und alarmierte
die MP (Military Police). Die schritt letztlich auch ein, aber die erste Reaktion
war: „Ihr habt sie ja geholt.“
X...: Im Amtsbezirk Beckum gab es 16 Lager, davon acht Industrielager für
rund 1000 Zwangsarbeiter – Kriegsgefangene und 'Zivilarbeiter*innen'.
Um sie nun menschenwürdig unterzubringen, wurde am 12. April der
Beckumer Norden geräumt.
Ludger K: „Vater, komm nach Hause, wir müssen räumen.“ – Um 14 Uhr kam
die Durchsage, dass wir bis 18 Uhr räumen müssen, um 16 Uhr waren sie
schon da. Wir kamen zu Verwandten in den Pulort.
Walter K: Wir mussten auch räumen. Unser Haus wurde von den Amerikanern
beschlagnahmt.
Ludger B: In der Fleischerei Münstermann wurde ein großer Topf Suppe
gekocht und um 12 Uhr kamen Flüchtlinge [Heimatvertriebene?] und
ehemalige Kriegsgefangene mit ihren Töpfen, die sie in den geräumten
Häusern gefunden hatten.
Ludger K: In den drei Wochen haben sie schlimme dort Verwüstungen
angerichtet. Wir Kinder sind immer wieder hoch, uns taten sie ja nichts. Sie
haben sich gerächt.
Walter W: In ganz Ostpreußen haben die Deutschen büßen müssen. Am
20.1.45 kamen die Russen, ich war sieben Jahre alt. (…) Erschossene wurden
in Straßengräben geworfen, Häuser wurden angezündet. (…) Oktober mussten
wir raus, ein Vierteljahr später kam ich mit Mutter und zwei
Zwillingsschwestern nach Beckum.
Maria N: Ein paar Arbeitskollegen meines Vaters hatten Ende 1941
Fronturlaub, sie zeigten ihm Fotos von der Ostfront: Hinrichtungen,
Massenerschießungen, brennende Dörfer? Die Fotos verschwanden ganz
schnell. – Die Alliierten stellten diese Schautafeln auf: Fotos von Leichenbergen
… deutschen Verbrechen. Wir hatten gedacht, Arbeitslager.
X...: Es gibt ein Foto von einer Wandzeitung am Westwall: zwei Männer, zwei
Jungs, eine Frau mit Kleinkind vor einer Fotowand mit der Überschrift
„Deutsche Kultur 1945. Gardelegen, Deutschland.“ Am 13. April 1945 wurden
bei Gardelegen/Altmark über 1.000 KZ-Häftlinge ermordet. Die Gefangenen
verschiedener Todesmärsche waren in einer Feldscheune zusammengepfercht
worden. Unter Mitwirkung des örtlichen NSDAP-Kreisleiters zündeten die
Bewacher die Scheune an und schossen auf fliehende Häftlinge. Einen Tag
später erreichten Einheiten der US-Armee Gardelegen. Deren Fotos wurden
u.a. vor dem damaligen Kreishaus aufgestellt.
Hanna Löhnberg: „Ich bin hier allein nach Beckum zurückgekommen und bin
wirklich eine der wenigen Überlebenden. Seiner Zeit kamen Mutter, Willy und
ich mit einem Transport von Dortmund nach Theresienstadt. Zuerst wurde
Willy uns fortgenommen, und nie wieder haben wir von ihm gehört. Ich kam
mit Mutter mit dem letzten Transport, der von Theresienstadt ging, nach
Auschwitz. Mutter wurde mir vom Waggon aus gleich fortgenommen. Der
einzige Trost ist nur der für mich gewesen, dass sie nicht hat so lang leiden
müssen. Ich habe mit vielen Tausenden alle Qualen der KZ-Läger
durchgemacht. Weil Auschwitz wohl noch nicht genug Quälerei war, so schickte
man uns nach Bergen-Belsen, um das Maß voll zu machen. Von dort kam ich
mit 200 Frauen nach Salzwedel bei Magdeburg. Wir wurden dort in einer
Munitionsfabrik untergebracht, selbstverständlich war es auch ein KZ. Wir
waren in Salzwedel mit 1500 jüdischen Frauen aus Polen, Ungarn, Rumänien,
Griechenland, Österreich usw. (…) Am 14. April 1945 wurden wir von
amerikanischen Truppen befreit. Es waren die Soldaten, die auf dem
Vormarsch nach Berlin waren, also kampferprobte Menschen, die viel
Schreckliches gesehen hatten, aber tatsächlich, als sie uns sahen, haben sie
geweint.“ – Hanna Löhnbergs Elternhaus auf der Nordstraße war in der
Pogromnacht zerstört und später abgerissen worden. 1945 wohnte sie in der
Oberen Wilhelmstraße, bevor sie in die USA auswanderte. [*4.4.1909; am
8.7.46 an Fritz/Fred Windmüller; in: Krick S.89]
Bernard B: Nach Kriegsende saßen wir vorm Volksempfänger. Da hörten wir
die Namen aller Betriebe, die auf der Volldemontageliste standen. Ich kann
mich erinnern, als der Name Beumer fiel, wie mein Vater das Radio
ausgeschaltet hatte. Ich war total entsetzt. Die Volldemontageliste war eine
Liste, die die Amerikaner erstellt hatten, worauf alle Betriebe standen, die
auseinander bzw. demontiert und in die Sowjetunion verschickt werden sollten.
Maschinenfabrik Beumer war auch davon betroffen. Ich weiß noch, wie ich als
12jähriger Junge meinen Vater begleitet habe, als er sich mit vielen
amerikanischen Generälen in verschiedenen Städten traf. Vater musste mit den
Generälen Verhandlungen führen, um von dieser Volldemontageliste runter zu
kommen.
Bernhard S: Der Schwarzmarkt und der Tauschhandel florierten. Schuhe
gegen Mantel, Geige gegen Sessel, Kochtopf gegen Kaffeekanne, Schmuck
gegen Wolldecke, drei Schinken gegen ein Schlafzimmer. In Beckum gab es
drei offizielle Tauschgeschäfte.
Ludger B: In der Bäckerei Stuhlreyer tauschten Heimatvertriebene
Tischdecken gegen Lebensmittel.
Heinz W: Aus dem Rot unserer Hakenkreuzfahne – als die Vorhelmer Straße
nach dem Umbau eingeweiht wurde, mussten wir alle flaggen – wurde für
meine Schwester ein Kleid gemacht, aus dem Weiß ein Dirndl. Aus meinem
Braunhemd – zum öffentlichen Begräbnis von Beckums Ritterkreuzträger
bekam ich eins – wurde eine Schürze für sie.
Karl-Heinz W: Ein Amerikaner nahm irgendwann unser Radio mit. „Das sehen
wir nie wieder.“ Als sie dann abzogen, kam er mit dem Radio vorbei. - Vor
ungefähr zehn Jahren war ich am Höxberg; da traf ich einen Amerikaner, der
damals bei der Parade in Beckum dabei war. Er zog mit seiner Frau noch
einmal an die alten deutschen Stätten.
Der Film der Siegesparade vom So., 9. Mai 1945 läuft: Kinderbilder.
Heinz N: Das bin ich.
Eberhard N: Ich sehe mich nicht. War ich überhaupt dabei?
Alfons U: Wie das Militär abgezogen war, wurde der Munitionsplatz – der
Acker vom Bauer Osthus – von einem anderen Kötter umgepflügt. Wir Kinder
sind hinter dem Pflug hergelaufen und haben die Muni, die noch im Boden lag
aufgesammelt. Es war ja Messing, das haben wir zum Schrotthändler gebracht.
Aber vorher entschärft; scharfe Muni konnte man nicht verkaufen.
Fränzi M: Auch als der Krieg zuende war, gab es noch nicht viel zu essen. Wir
bekamen eine Überbindschürze um und mussten Ähren aufsammeln. Das Korn
wurde mit der der Sense geschnitten und in Richten gebunden und zum
Trocknen in Reih und Glied aufgestellt. Die große Freude war dann, wenn der
Leiterwagen kam und das Korn (die Richten) aufgeladen wurden. Mit Forken
wurde hoch gereicht; Mutti, die war auf dem Wagen und musste packen. Es
war nicht leicht, die Ähren mussten auf der rechten und linken Seite egal
gepackt sein. Dann kam eben darüber ein dicker Mast und ein dickes Seil, was
befestigt wurde, und dann durften mein Bruder und ich zu Mutti oben drauf,
dann ging es mit dem Pferdefuhrwerk zum Dreschkasten auf die Welle. Dort
standen schon etliche bepackte Leiterwagen. Wir mussten warten, bis wir an
der Reihe waren. Da waren noch mehr Kinder, wir haben gespielt und uns
gefreut, wenn es tüchtig staubte. Wir haben uns gefreut, auch wenn wir
manchmal hungrig waren. Aber es war Frieden.