Franziska Mance (*1/1945) erzählt vom Kriegsende in Beckum
Als Kind habe ich den Krieg als Horror empfunden. Ich war fünf Jahre alt und wohnte mit meiner Mutti und meinem ein Jahr älteren Bruder bei Engberts auf der Stromberger Straße 150. Meine Mutti war oft bei meiner Oma und half dort. Oma hatte Ackerland und Tiere, die versorgt werden mussten. Mein Papa und die anderen Männer waren alle im Krieg. Ich glaube, mein Bruder und ich haben die Ängste von Mutti verstanden, wir hatten ja selber Angst.
Mein Bruder hat mich immer beschützt, wenn die Sirenen heulten, sind wir ganz schnell unter die Küchenbank gerutscht, bis Entwarnung kam. Am Abend wurde die Lampe, es gab nur eine, mit einem Handtuch verdunkelt, damit die Flugzeuge kein Licht sahen. Wenn nachts Alarm war, mussten wir in den Keller, der war kalt und voll Kohlen und Mäuse liefen herum. Wir haben dort den Rosenkranz gebetet und den Engel des Herrn, bis Entwarnung kam. Danach mussten wir ins kalte Bett- wir hatten ja nur das Ehebett – und haben uns gegenseitig gewärmt. Wir hofften nur, dass die Nacht ruhig blieb.
Einmal war ich mit Mutti auf dem Friedhof, es war kalt ich hatte einen Muff für meine Hände. Wir haben meinen anderen Bruder besucht, der dort lag. Plötzlich kam Fliegeralarm, die Sirenen heulten, Mutti hat mich auf den Boden gedrückt und sich auf mich gelegt, bis Entwarnung kam.
Am schlimmsten war das Geschehen, als der Krieg für beendet erklärt war. Die weißen Fahnen hingen schon aus den Fenstern. Ich war neugierig und bin nach draußen gelaufen, aber dann sofort wieder rein, ich hatte Angst, denn die Soldaten marschierten die Straße hoch. Die Tür stand noch auf, da kam ein Russe und sagte nur „Hunger“. Mutti hatte es auch gehört, ich lief hoch zu ihr und sie gab mir ein Stück Brot. Ich reichte es dem Soldaten, er streckte die Hand aus und nahm es mit einem Lächeln entgegen. Da kam ein deutscher Offizier und schlug ihm mit dem Gewehrkolben ins Genick. Er fiel blutüberströmt in den Flur. Der Offizier zog ihn aus dem Flur durch das Blut in den Straßengraben, seitdem kann ich bei anderen kein Blut sehen. Ich hoffe, so etwas kommt nie wieder.
Meinen Vater habe ich einmal gesehen, er kam zu Besuch, als ich ungefähr vier Jahre alt war. Da habe ich nur gefragt: “Mutti, was will der Onkel hier?“